Der Lebensstil als Fundament unseres Immunsystems

Und das Potenzial von Supplementen

Während des Lockdowns vom Frühling stand für viele die Welt still. Nicht allerdings für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Bei deren Forschungsarbeiten geht es seither nicht nur um die Suche nach Impfstoffen und Medikamenten gegen COVID-19, sondern auch um die zentralen Fragen: Was stärkt bzw. schwächt unser Immunsystem und welche Mikronährstoffe spielen dabei eine besondere Rolle?

Fundament für ein starkes Immunsystem

Wenn wir unserem Immunsystem die bestmöglichen Voraussetzungen bieten wollen, müssen wir in erster Linie ein starkes Fundament schaffen. Wie der österreichische Komponist Anton Bruckner einst sagte: «Wer hohe Türme bauen will, muss lange beim Fundament verweilen.» Im übertragenen Sinne heisst das also, dass wir zuerst ausgewogen essen, uns regelmässig an der frischen Luft bewegen, gut und ausreichend schlafen und zu viel Stress möglichst vermeiden sollten. Erst danach können wir uns Gedanken machen über eine allfällige weitere Unterstützung des Immunsystems z.B. durch eine Supplementierung mit Mikronährstoffen.

Schwächung des Immunsystems durch Isolation

Isolation – wie sie viele als Folge des Lockdowns erlebten – kann sich negativ auf unser Immunsystem auswirken. Diese Erfahrung machen Astronauten und Überwinterer auf der Antarktis, welche wochen- oder monatelang isoliert leben. Die Probleme beginnen nach der Rückkehr in die normale Welt und nicht selten kommt es zu Allergien und Unverträglichkeiten. Grund für dieses Phänomen könnte sein, dass das Immunsystem auf einer Polarstation – oder in der eigenen Wohnung während des Lockdowns – nur mit sehr wenigen Keimen in Kontakt kommt. Wenn man nach Wochen wieder in den Alltag zurückkehrt, Zug fährt, Konzerte besucht und Freunde trifft, kann es zu einer Überreaktion des Immunsystems kommen.

Immunrelevante Mikronährstoffe

Das langsame Zurückkehren in den Alltag war deshalb nicht nur gut, um Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 zu vermeiden, sondern auch, um unser Immunsystem langsam wieder hochzufahren. Und wie steht es um Supplemente? Fast alle Mikronährstoffe besitzen immunrelevante Funktionen und Wirkungen. Diesbezüglich am besten untersucht sind die Vitamine A, B6, B12, C, D sowie Zink, Selen, Eisen und Kupfer.

Prävention von Infekten 

In einer Metaanalyse konnte gezeigt werden, dass die Supplementierung mit Vitamin C (≥ 1 g/Tag) sowohl die Erkältungsdauer von Erwachsenen und Kindern als auch den Schweregrad der Erkältung senken konnte, nicht aber die Häufigkeit einer auftretenden Erkältung. Auch eine Supplementierung mit Vitamin D, Zink und Selen hat ein hohes präventives Potenzial – v.a. vor dem Hintergrund, dass ein Mangel an diesen Mikronährstoffen in unseren Breitengraden keine Seltenheit ist. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Supplementierung mit Vitamin D3 unter anderem akute Atemwegsinfekte mildern kann. Bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 könnte eine Unterversorgung mit Vitamin D ein Indikator für den Schweregrad der Erkrankung und die Mortalität sein. Bereits ein leichter Zinkmangel kann zudem zu einer erhöhten Anfälligkeit für Infekte führen (generell – Aussagen zu SARS-CoV-2-Infektionen sind noch nicht möglich). Und ein Selenmangel scheint den Schweregrad von viralen Infekten negativ zu beeinflussen.

Zentrale Rolle von Tryptophan bzw. Niacin

Am Universitätsklinikum Schleswig Holstein (UKSH) wird in einer aktuellen Studie dem begründeten Verdacht nachgegangen, dass Mangelernährung ein wesentlicher Risikofaktor für einen schweren Verlauf der COVID-19-Erkrankung ist. Dabei spielt Tryptophan eine zentrale Rolle. «Der Körper baut bei chronischen Entzündungen die essentielle Aminosäure Tryptophan ab und wandelt sie in Stoffwechselprodukte um, die selbst entzündungsfördernd sind», sagt Prof. Dr. Stefan Schreiber vom UKSH. Frühere Studien zeigten, dass molekulare Ernährungsinterventionen im Tiermodell eine reparierende Wirkung für die Immunfunktion und eine antientzündliche Wirkung haben. Diese Wirkung will man nun an Menschen mit COVID-19 bestätigen, indem man ihnen Niacin bzw. Kieselsäure (als Vergleichspräparat) verabreicht. Ob Niacin die Bildung von entzündungsfördernden Stoffwechselprodukten von Tryptophan vermindern kann und dem Vitamin somit eine wichtigere Rolle als bisher angenommen zukommt, wird sich zeigen.

Das Wissen im Bereich Mikronährstoffe wächst stetig. Dennoch gibt es viele Fragen, deren Antworten erst noch gefunden werden müssen – gerade auch im Zusammenhang mit SARS-CoV-2. Ein Gebiet also, das noch lange spannend bleibt!

Quellen:
BMJ Nutrition, Prevention & Health 2020;0.
Nutrients 2020;12(4):1181.
NFS Journal 2020;20:10-21.
Nutrients 2019;11(9):2101.
Nutrients 2017;9(4):339.
BMJ 2017;356:i6583.
CMAJ 2014;186(3):190-199.
Am J Clin Nutr 2007;85(3):837-844.
UKSH 2020.

Aktuelles: Arbeitsgruppe Ernährung & Coronapandemie

Die Coronapandemie bringt Fragen zum Gesundheitszustand der Bevölkerung wieder vermehrt in den Fokus. Ernährungsabhängige Erkrankungen wie Adipositas, Herzkreislauferkrankungen und Diabetes entscheiden wesentlich über den Hospitalisationsbedarf nach einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 sowie über den Schweregrad des Verlaufs und die Dauer einer COVID-19-Erkrankung. Ein Grossteil dieser chronischen Vorerkrankungen kann durch einen gesunden Lebensstil (u.a. eine ausgewogene Ernährungsweise) positiv beeinflusst oder gar vermieden werden.

Im Frühling 2020 hat die Allianz Ernährung und Gesundheit die Arbeitsgruppe Ernährung & Coronapandemie gegründet. Die Arbeitsgruppe will aktuelle Forschungsergebnisse aus den Themenbereichen Ernährung und Prävention vor dem Hintergrund der Coronapandemie für Politik und Öffentlichkeit aufbereiten und diese beiden Zielgruppen für die Bedeutung von Gesundheitsförderung und Prävention sowie einer gesundheitsfördernden und nachhaltigen Ernährungsweise sensibilisieren.

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Aktuelles von SWAN: Mentoringprogramm Ernährung

Der Verband der SWiss Academic Nutritionists (SWAN) ist die berufliche Interessensvertretung von akademisch ausgebildeten Ernährungsfachpersonen in der Schweiz. SWAN steht auch gesetzlich anerkannten Ernährungsberater/innen offen, die in Berufsfeldern ausserhalb des klassischen klinisch-therapeutischen Bereiches tätig sind oder sich dafür interessieren (z.B. Public Health, Lebensmittel- und Pharmaindustrie, Forschung und Lehre).

Neu bietet SWAN ein Mentoringprogramm für SWAN-Mitglieder an, die am Anfang ihrer beruflichen Entwicklung oder in der Phase der beruflichen Neuorientierung stehen oder aber nach der Familienphase wieder in den Beruf einsteigen wollen. Interessiert? Bewerben Sie sich bis zum 30. November 2020!

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Skurriles und (diesmal weniger) Amüsantes aus der Food-Welt

Nun schiessen sie wieder aus dem Boden, die Pilze. Bauchschmerzen nach dem Genuss dieser Herbstboten müssen nicht zwingend auf eine Vergiftung hindeuten. Ihr natürlicher Inhaltsstoff Chitin ist nämlich schwer verdaulich und liegt manchen Menschen schwer im Magen. Chitin kommt in vielen (aber nicht allen) Pilzen vor und dient der Strukturbildung.

Dennoch sollte man selbst gesammelte Pilze von der Pilzkontrollstelle überprüfen lassen. Viele essbare Pilze haben nämlich giftige «Doppelgänger». So z.B. der Knollenblätterpilz – der wohl gefährlichste Pilz überhaupt –, der dem Champignon ähnlich sieht. Der Knollenblätterpilz enthält Amatoxin – ein Gift, welches auch durch Hitze nicht zerstört wird und schon in kleinen Mengen tödlich ist. Bereits ein 50 g schwerer Knollenblätterpilz kann für einen Erwachsenen letal sein. Solche Vergiftungen sind zum Glück sehr selten – zwischen 1995 und 2010 waren es in der Schweiz lediglich fünf.